Mittwoch, 5. September 2012

Was Heterosexuelle gegen Homosexuelle haben

Wenn von Schwulen und Lesben und ihrer Stellung in der Gesellschaft die Rede ist, kommt oft die Frage auf, warum so viele Menschen denn Probleme damit hätten.

Was kümmert es eigentlich manche Leute, mit wem andere Menschen ins Bett gehen, wenn sie selbst dabei überhaupt nicht beteiligt sind? 

Nun, die meisten kümmert es erfreulicher Weise immer weniger. Was die anderen so furchtbar in Aufruhr bringt, kann ich kurz erläutern. Ich habe dazu (leider) keine von der EU geförderte Großstudie am Institute for Integrated Gender Studies in Fallingborstel unternommen, nur reichlich nachgedacht. Die Gründe sind, grob vereinfacht: Angst, Ekel, Angst, Neid, Angst.

1. Nämlich zunächst mal Angst vor dem Fegefeuer 

Es gibt tatsächlich Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass Gott Homosexuelle für ihre Homosexualität bestrafen wird und die Homosexuelle vor dieser Strafe bewahren wollen. Mit dem Argument, dass sich in grauer Vorzeit Menschen die göttliche Bestrafung nur ausgedacht haben, um ihre ohnehin schon vorhandenen Abneigung zu untermauern, kann man wahrhaft Gläubige nicht beruhigen. Die glauben das wirklich.

Da die Vorstellung, dass Menschen ewig und den Jüngsten Tag im Höllenfeuer schmoren müssen, wenig erquicklich ist, ist die Sorge der Gläubigen um das Seelenheil der Homosexuellen vollkommen echt. Allerdings leider nur wenig hilfreich.

2. Jeglicher Geschlechtsverkehr ist ekelerregend 

Es ist schleimig, glitschig und schmeckt nicht gut. Es ist widerlich, und es stinkt. Dass die meisten von uns es trotzdem tun liegt nur daran, dass unsere Begierden uns helfen, darüber hinweg zu sehen. Aber versuchen Sie einmal, an das Geschlechtsorgan eines prinzipiell möglichen Partners zu denken, den oder die Sie schrecklich unattraktiv finden. Oder zum Beispiel die ihrer Eltern. Das wird Ihnen nicht lange gelingen.

Allzu langes Gerede über eine Form von Sexualität, die wir nicht erregend finden, stößt uns ab. Ausgiebige öffentliche Bekenntnisse und Diskussionen aber zwingen uns, daran zu denken, und sind daher nur wenig erwünscht. Dass der homosexuelle Geschlechtsakt für Andersgepolte abstoßend wirkt führt dazu, dass diese denken, auch die Homosexuellen würden zunächst dazu gezwungen und hätten sich dann irgendwie dran gewöhnt.

So ist es aber nicht – genau das Gegenteil ist der Fall. Die meisten Homosexuellen sträubten sich gegen lange die Begierde, die einfach immer nur natürlich da war und sich nicht abschütteln oder umerziehen ließ und lässt. Wer sich heute nicht verstellt, hat vorher meist lange darum gekämpft.

Je weniger die Homosexuellen sich verstellen müssen, um so mehr ändert sich auch das Bild von ihnen. Dabei tritt zutage, dass es ihnen nicht nur um den gleichgeschlechtlichen Geschlechtsakt geht, sondern auch ganz viel um gleichgeschlechtliches Küssen, Kuscheln, Streicheln, Umarmen, Händchenhalten, Kitzeln geht – Dinge, die hübscher anzusehen sind, andere Emotionen hervorrufen, und darum auch auf die Meinung über die Homosexuellen abfärben.

3. Und dann ist da die Angst 

Und zwar die – oft unbewusste - Angst heterosexueller Männer, dass sie anal vergewaltigt zu werden. Diese Angst ist zwar vollkommen unbegründet, aber sie ist da. Sie ist genauso da wie die Angst von Frauen, die nachts nicht allein auf der Straße gehen wollen.

Die Angst ist zum einen unbegründet, weil die meisten Männer (schwul oder nicht) niemanden vergewaltigen wollen. Die meisten finden allein schon die Unterstellung schrecklich. Aber das ist für die Angst egal. Europäische Spinnen sind auch ganz ungefährlich, und Fliegen ist die sicherste Reiseform.

Die Angst ist aber vor allem deswegen unbegründet, weil homosexuelle Männer in Sachen Sexualität das ganz, ganz große Los gezogen haben. Stellen Sie sich für einen Moment vor, Sie wollten Sex mit Menschen haben, die auch Sex mit Ihnen haben wollten (ich weiß, es ist schwer). Einfach so. Ohne:
  • Massagen, 
  • Migräne, 
  • Nur-so-Kuscheln, 
  • Ach-du-heute-nicht,-morgen-ist-so ein-anstrengender-Tag. 
Nicht nur wollen Schwule niemanden vergewaltigen, sie hätten es auch gar nicht nötig.

Dass es gegenüber Lesben im Allgemeinen weniger Animositäten gibt, liegt also auch daran, dass heterosexuelle Frauen von ihnen wenig zu befürchten haben.. Obwohl ein leises Unbehagen und die Hoffnung, nicht zum Mitmachen aufgefordert zu werden, nicht immer von der Hand gewiesen werden kann.

Doch da lesbischer Geschlechtsverkehr im Wesentlichen gegenseitige Befriedung ist, ist lesbische Vergewaltigung recht schwierig (wenn auch nicht unmöglich).

4. Der Neid 

Warum sollte man auf Homosexuelle neidisch sein? Weil sie einfach so ihren Wünschen folgen, sich nicht anpassen und einfach Sex haben, wann und mit wem sie wollen. (Das stimmt natürlich gar nicht: auch Homosexuelle sind oft unglücklich verliebt.)

Das ist im Kern das gleiche Gefühl, dass jungen Frauen (und Männern), die selbst über ihre Jungfräulichkeit, Haare, Berufswahl, Ehepartner oder überhaupt irgendetwas entscheiden möchten, in vielen Teilen der Welt entgegenschlägt. Es gibt kaum ein stärkeres Gefühl als:

Ich habe mich an die Regeln gehalten und leide darunter. Und die anderen machen einfach, was sie wollen, und denen geht es auch noch gut dabei.

Wenig bringt kleine Kinder mehr in Rage als dieser Verdacht, dass ihr normgerechtes Verhalten nicht angemessen belohnt wird. Dasselbe gilt für Erwachsene an Supermarktkassen. (Ich steh hier schon seit Jahren für guten Sex an und diese Schwulen drängeln sich einfach vor!)
Und so werden die Homosexuellen dafür gehasst, dass die Hassenden selbst nicht ihre Träume leben.

Darüber hinaus gebiert dieser Neid eine weitere Angst

5. Die Angst vor der Freiheit. 

Was wäre, wenn jeder machen könnte, was er oder sie wollte und nicht, was die Kirche, die Eltern, die Ahnen vorschreiben? Ginge dann nicht die gesamte Gesellschaft in die Brüche? Und was sollen die Nachbarn sagen?

Nun, wenn die Nachbarn etwas zu sagen haben, sollen sie das ruhig tun. Jeder soll das. Aber das Urteil anderer vorwegzunehmen und nicht auf das eigene zu vertrauen ist ein guter Weg, es niemandem recht zu machen.

Aber es ist nicht nur die Angst davor, dass die Gesellschaft auseinanderfallen und die Ernte vertrocknen könnte. Es ist auch die Angst vor der eigenen Freiheit. Die Angst, die alle überfällt, die plötzlich sehen, wie viele Möglichkeiten sie hätten – aus denen sie dann leider auch wählen müssten. Aber leider ist das bei Lichte betrachtet der einzige vernünftige Weg. Nur, wenn alle sagen, was sie wollen haben alle eine Chance, zu bekommen was sie wollen.

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