Sonntag, 16. April 2006

Über Ostern natürlich Verwandtenbesuch. Und auf dem Weg dorthin wieder am Städtchen Adenau vorbeigefahren. Und bei Adenau haben wir wie jedes Mal darüber gesprochen, ob hier vielleicht die Vorfahren von Konrad Adenauer herkommen. Und dann hat sich die Tante Jensen wieder daran erinnert, wie es letztes Mal war, als wir hier vorbeifuhren…

Also: Wir diskutierten wieder darüber, ob die Vorfahren von Konrad Adenauer aus Adenau kamen. Und just zu dem Zeitpunkt passierte in Adenau Folgendes:
„Ich halte es nun nicht mehr aus!“ Verzweifelt schlägt der Bürgermeister von Adenau mit dem Kopf auf den Bürgermeisterschreibtisch. „Schon wieder fährt jemand an unserem schönen Städtchen vorbei, und alles war ihnen zu Adenau einfällt, ist, ob vielleicht die Vorfahren von Konrad Adenauer aus Adenau kamen. Es macht mich wahnsinnig!“ Die Sekretärin kennt das Problem und bringt die Tropfen. „Da versucht man, nachhaltige Stadtentwicklung zu betreiben, senkt die Jugendkriminalität, schafft es, das Gemeindehaus zu renovieren und dabei einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – und das alles nimmt keiner war! Immer nur Adenauer, Adenauer, Adenauer! Es reicht!“ Er schüttelt den Kopf. „Frau Sternberger, rufen Sie bitte in Lauterbach und in Biedenkopf an!“

Und so geschah es: Die „Vereinigung deutscher Städte und Gemeinden, die nicht wegen der Vorfahren berühmter Menschen bekannt sein wollen“ (VdSuGdnwdVbMbsw e.V) wurde gegründet. Schnell schlossen sich andere Städte an: Schwarzenegg und Brandau gehörten ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern. Frankfurt (Rose Frankfurter) zog bald nach. Ein Coup war die Mitgliedschaft Berlins (Isajah Berlin), die einerseits mitmachten, weil Hamburg (Käthe Hamburger) sich der Bewegung nicht anschloss aber hauptsächlich deswegen, weil sie überall dabei sein wollen, wo's was umsonst gibt.
Pläne, gleich das gesamte Ausland (Rose Ausländer) zu integrieren, wurden vom Vorstand verworfen. Aber Luxemburg war begeistert von der Idee – zu lange war ihnen sauer aufgestoßen, dass die Stadt hauptsächlich dafür bekannt ist, dass in der Weimarer Republik eine Bewegung für eine Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften im Großherzogtum gab (Rosa Luxemburg). London (Jack London) zog auch mit. Nur Paris zeigte sich indigniert. Ein Sprecher des Fremdenverkehrsvereins erklärte auf Anfrage, „Paris Hilton“ sei schließlich keine Berühmtheit, man sehe da keinen Handlungsbedarf. Man könne es dahergelaufenen kulturlosen Amerikanern schließlich nicht verbieten, ihre Kinder nach Hotels zu benennen. Und über die Namensgleichheit mit einem griechischen Helden freue man sich eher.


So ließ sich alles gut an. Doch bald erlahmte die anfangs so schwungvoll gestartete Bewegung. Es stellte sich heraus, dass die Städte doch zu wenig gemeinsam hatten, als dass sich eine gemeinsame Strategie entwickeln ließe. Und über die Gemeinsamkeiten kam es dann intern zu Streit – hinter vorgehaltener Hand lästerten die Brandauer über Schwarzenegg, deren Berühmtheit sei ja gar kein richtiger Schauspieler, und die Schwarzenegger meinten, erfolgreicher als der Lauterbach sei er allemal. Als dann Saarbrücken (Rose Saarbrücker) auch aufgenommen werden wollte, wurde klar, dass die einst mit hehren Zielen gestartete Bewegung vollends zu Farce verkommen war. Und damit verschwand die VdSuGdnwdVbMbsw e.V nach nur einem Jahr von der Bildfläche.

Mittwoch, 12. April 2006

Tschingderassabumm

In dem Musikkreis, in den ich (bzw. die Kindsmutter) mit meiner Tochter gehe, wird bisweilen folgendes Lied gesungen:

Ich habe eine Ziehharmonika,
eine Tschingderassa, Tschingderassa bum bum bum.
Sie spielt uns immer wieder
die allerschönsten Lieder.
Ich habe eine Ziehharmonika,
eine Tschingderassa, Tschingderassa bum bum bum.

Das ist so nicht ganz korrekt. Ich gebe ja durchaus zu, mich nicht immer vollständig in unserer Wohnung auszukennen – letzte Woche fand ich einen Aufkleber, der besagt, dass in diesem Behälter (auf dem er zu kleben kommen könnte) sich stark infektiöse Güter befinden. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wozu wir so etwas benötigen. Immerhin weiß ich aber nun, dass wir solch einen Aufkleber haben, wenn ich mal brauchen sollte. Auch wenn ich nicht weiß, wo ich ihn ablegen soll, seit ich meine Aufkleberschublade mit 15 auflöste (ein Fehler, wie ich nun leidvoll eingestehen muss!).

Man kann mir also durchaus nachsagen, ich wüsste nicht über alle in unserem Haushalt befindlichen Dinge Bescheid, aber ich denke doch, das Vorhandensein einer Ziehharmonika wäre mir nicht unverborgen geblieben. Zumal genannte Ziehharmonika ja auch häufig zum Einsatz kommen soll. Ich kann mir das nur so erklären (da ich keinen Grund dafür sehe, warum die Leiterin der Gesangsrunde, die ich als durchaus anständig und integer kennen und schätzen gelernt habe, wissentlich die Unwahrheit sagen und Falschaussagen über unseren Haushalt in Umlauf bringen sollte), dass sich in meiner Abwesenheit Ereignisse ereignen, von denen ich nicht in Kenntnis gesetzt werde. Denn das „Ich“, das da singt, ist ja jeweils der (meist die) Singende oder vielmehr, stellvertreten durch mich, das Kind, das ja noch nicht singen kann und vor unseren Bäuchen hin und her getragen und geschunkelt wird. 

Wie dem auch sei, schon statistisch ist das wohl kaum korrekt, um so weniger in der grob pauschalisierenden Behauptung, jeder von uns hätte eine Ziehharmonika.

Noch dazu, und hier verlässt das Lied vollends den Boden der als gesichert betrachtbaren Tatsachen, eine Ziehharmonika, die „tschingderassabum“ macht (die Theorie, dass es sich um eine Ziehharmonika der Marke „Tschingderassabum“ handeln solle, halte ich für grotesk). 

Ziehharmonikas machen nicht „tschingderassabum. Das ist das Geräusch, das nach allgemein (allgemein? offensichtlich nicht) akzeptierter Konvention Blaskapellen zu machen pflegen. Ziehharmonikas machen so etwas wie „schnäh-fnöhr“

Nun sehe ich ein, dass die Behauptung, ich (respektive meine Tochter) hätte eine Blaskapelle, die uns immer wieder die allerschönsten Lieder spiele, zwar mit Hinblick auf die behauptete Eigeninitiative der Blaskapelle plausibler scheint (immerhin ist diese ja in der Lage, selbst zu spielen, im Gegensatz beispielsweise zu einem Klavier, oder einer Harmonika (ganz zu schweigen von einer Ziehharmonika)), jedoch als absolut aus der Luft gegriffen erscheinen muss und rein statistisch vollkommen jeder Grundlage entbehrt. Tatsächlich sind wesentlich mehr Bundesbürger im Besitz einer Ziehharmonika als einer Blaskapelle, soweit hat das Lied die Zusammenhänge schon ganz richtig erfasst.

Es müsste also heißen:

Ich habe eine Ziehharmonika,
eine Schnäh-fnöhr, Schnäh-fnöhr, Schnäh-fnöhr fnöhr.

Weil sich das aber relativ scheiße singt, opfert das Lied ein zweites Mal Genauigkeit und Wahrheitstreue und fügt der an sich schon dreisten Behauptung, ich besäße eine Ziehharmonika noch – die Tatsachen vollends verdrehend – hinzu, diese Ziehharmonika mache Geräusche wie eine Blaskapelle und sei (Gipfel der Unverschämtheit!) obendrein noch in der Lage, Lieder selbständig abzuspielen

Es ist mir unbegreiflich, wie man solch offensichtlich falsche Aussagen wiederholt in der Öffentlichkeit tätigen kann, und ich verstehe auch nicht, warum wir das immer wieder mit fröhlichen Mienen tun. Es ist ja nicht so, dass dort verantwortungsloses und oder zwielichtiges Gesindel versammelt wäre. Eigentlich sind es eher recht respektable Persönlichkeiten - manche von uns dürfen sogar wählen!

Aber schließlich haben wir das Geld für den Kurs schon voll bezahlt. Und irgendwie hat niemand den Mut, diesem Tun Einhalt zu gebieten, hinzugehen und zu sagen:

Haltet ein!
Seht Ihr nicht die Falschheit unseres Tuns? 
Gehet hin und bestimmet basisdemokratisch im Stuhlkreis, was wir denn sonst singen könnten!

Das aber tat natürlich niemand. War ja auch nicht so wichtig. Aber trotzdem bin ich seitdem immer ganz still und nachdenklich, wenn die Rede darauf kommt, wie ich mich unter Honecker oder Hitler verhalten hätte.