Ich selber hab da seit Jahren ein lustiges Hobby – andere würden
es eher einen Defekt nennen. Ich suche falsche Reime und versuche sie
auf den Dialekt der Dichter zurückzuführen.
Das geht ganz einfach und kann auch jeder selber zu Hause
nachmachen.
Es gibt da ganz klassische Beispiele aus der deutschen Klassik
(Wortspiel!).
Und wenn schon, dann legt man sich am besten mit den größten an:
Goethe, Faust
Also, das Gretchen ist schwanger und
ledig und alles ist Mist. Was macht sie? Sie betet zu Maria:
Ach neige, du Schmerzensreiche,
dein Antlitz gnädig meiner Not.
Aus
dem, was dann folgt wird klar, dass sich
neige eigentlich auf
Schmerzensreiche reimen soll.
Tut es aber nicht!
Tut
es eben doch. Goethe war e Frangfordder Bub, und so hadd er auch
Gebabbeld und gereimd:
Ach
neische, du Schmerzenreische,
Dein
Antlitz gnädisch meinä Nohd.
Und
schon stimmt's! Ich find die Stelle so auch viel besser.
Der andere große Klassiker kann das
auch:
Schiller, Ring des Polykatres
Er stand
auf ...
Dies
alles ist mir untertänig,
begann
er zu Ägyptens König -
ihr
seht, da haut der Reim nicht hin.
Das
könnte ja daran liegen, dass Schiller eine Schwabe war.
Schwäbisch
iss e granademäßig schweri Sprooch. Des isch de Hammer. Nee,
ehrlich, das einzige, womit Schwaben nicht geizen sind Vokale. Naja,
Vokale und Scheuerpulver. Aber
vor allem Vokale.
Hier
bei uns im Saarland wird beides tatsächlich zu Ä. Deswegen sind ja
auch Speisekartenautoren von Perl bis hinter Frankfurt der Meinung,
es gebe so etwas wie Dürrfleisch. Der Rest denkt, das Ä wär ein Ö,
und es wäre eigentlich Dörrfleisch. Es ist gedörrt, d. h.
getrocknet. Und nicht dürr.
Ist das bei den Schwaben auch so?
Des isch mr alles underdänig
Begann
er zu Ägibtns Gönig
Klappt also auch nicht.
Bei den Schwaben wird Ö nicht zu Ä. Bestenfalls zu E.
Dann kam mir irgendwann der Verdacht,
dass Schiller hier nicht Dialekt geschrieben hat, sondern
Standardsprache – naja das, was es damals gab. Es gab ja noch keine
Standardsprache. Aber es gab einen Dialekt, den alle für vorbildlich
hielten. Einen Dialekt, der allgemein als das Ideal eines
verständlichen, schönen Deutsches galt: Sächsisch.
Nuu, unser schönes Sochsn stand
damals noch in voller Blüte, nuwor: Dresdner Frauenkirche,
Leipziger Allerlei.
Na, dann probieren wir's mal:
Des
alles ist mir unterteenisch
Begann er zu Ägypten Keenisch, nuwor.
Hm. Klappt auch nicht.
Aber es gibt auch noch andere schöne
Beispiele:
Ist
ja bald Weihnachten. Irgendwie zählt die Zeit von Ende Oktober bis
Anfang Dezember gar nicht mehr, das könnt man eigentlich gleich
abschaffen. Wetter ist eh scheiße.
Also,
Weihnachten:
Morgen,
Kinder, wird's was geben,
Morgen
werden wir uns freu'n!
Welch
ein Jubel, welch ein Leben
Wird
in unsrem Hause sein!
Einmal
werden wir noch wach,
Heissa,
dann ist Weinachtstag!
Nee, eben
Weihnachtstach.
Und der Autor ist bestimmt eher aus dem Norden Deutschlands? Genau,
aus Berlin. Und auch im Berlinischen wird G am Wortende hinter A, O
und U zu CH, Richtig müssten die letzten beiden Zeilen also auf
Berlinisch heißen:
Einmal
werden wir noch wach, ja!
Heissa, dann ist Weinachtstach, ja!
Danach
iss dit ooch ma wieda jut, wa, Mensch, hör mir uff!
Ein'
hab ich noch!
Ich bin ja glühender Atheist. Aber ich pflege natürlich alle
Weihnachtstraditionen, die ich nur irgendwie erwischen kann. Wir
haben eine Adventskranz, und wir singen auch
:
Freut
euch, Ihr Christen!
Freuet
Euch sehr.
Schon
ist nahe der Herr.
Der
Herr? Ja wohl eher der Heer, oder? Bzw. der Heeo. Und so hatte ich
gehofft, hier einen nördlicheren, bevorzugt Münsterländischen
Dichter, naja: Autor, versteckt zu finden. Doch weit gefehlt: Es
stammt von der Ferschl Maria, und die wiederum stammt aus Österreich.
Und hat da auch ihr ganzes Leben lang ... äh … gelebt. Also, wie's
dann dod wor, hot's freilich nimmer glebt.
Freuts
Eich ihr Christen!
Geeh, jetzt freut's Euch halt.
Freut's Eich
a bissl mäa,
schon
ist noh der Häa!
Und
er bringt an Topfenpalatschinken mit Schlagobers mit!